Morgens gegen 9.30 stiegen wir auf unser Tandem und verließen die Kleinstadt Donji Milanovac in Serbien. Zur Mittagszeit erreichten wir die Grenze nach Bulgarien und damit wieder ein Land der europäischen Union. Circa 25 km nachdem wir die Grenze überquert hatten, erreichten wir Widin an der Donau, laut Wikivoyage die ärmste Stadt der EU. Der Einblick den wir in die Stadt am Abend und nächsten Morgen erhielten war allerdings besser als erwartet, möglicherweise deswegen, weil wir bereits durch einige Dörfer in weitaus schlechterem Zustand gefahren waren. Verfallene, leerstehende Häuser und meist mehrere auf Papier gedruckte Todesanzeigen an den Hoftoren, dafür kaum junge Leute, Pferde- und Eselkarren als Transportmittel und kaputte, beziehungsweise nicht asphaltierte Straßen sind dort Normalität. Die Jugend zieht es wohl so früh wie möglich in die Städte, denn nur dort besteht die Aussicht einen Job zu erhalten.

Von Widin aus überquerten wir die Donau und wechselten somit wieder in ein anderes Land. Rumänien begeisterte uns durch viele freundliche Menschen, jeder grüßte freudig und wir waren fleißig am zurück grüßen und winken. Fast an unserem Tagesziel angekommen, vollbrachten wir noch eine gute Tat. Ein älterer, scheinbar betrunkener Rumäne hatte sich, für vorbei fahrende Autos kaum registrierbar, samt seines Fahrrads in den Straßengraben manövriert. Ansprechbar war er zwar, aber unser Rumänisch so gut wie sein Englisch, nämlich nicht vorhanden. Daher entschieden wir uns schnell das nächste Auto anzuhalten, damit seine Landsleute mit ihm abklären konnten, ob er sich in der Lage fühlte, aufzustehen. Wir beziehungsweise der rumänische Herr, hatten Glück. Ihm wurde vom Autofahrer auf die Beine geholfen, während ich mit der Beifahrerin das Fahrrad aus dem Graben zog. Den Radfahrer gut versorgt wissend radelten wir weiter und wurden kurze Zeit später freudig hupend überholt, das Auto mit auf dem Dach festgezurrtem Fahrrad. Wir erreichten Bechet, erkundigten uns nach den Abfahrtszeiten der Fähre, gönnten uns ein Abendessen in einer Pizzeria am Flussufer (Essen gehen ist mittlerweile echt erschwinglich, für 10 bis 15 Euro werden wir beide satt und wir essen mittlerweile echt viel!) und liefen danach tief genug in den nahe gelegenen Wald, um dort zu nächtigen.

Der Ostersonntag startete mit Müsli im Zelt, bevor wir mit der Fähre wieder von der rumänischen auf die bulgarische Seite begaben. Nach einsamer Überfahrt auf der recht großen Autofähre bezwangen wir einen kleinen Berg und genossen dann bei guter Aussicht und netter Unterhaltung mit den Bulgaren Nedyo, Martin und Simeon (Vater, Stiefsohn und Sohn) ein zweites Frühstück. Für diesen Tag war keine allzu weite Strecke geplant, daher legten wir eine ausgedehnte Mittagspause in einem Cafe ein und bekamen dort zwei buntgefärbte Ostereier geschenkt. Die letzten Kilometer nach Pleven, zu unserer Couchsurferin Deni radelten wir dann aber mit Vollgas, da sich in unserem Rücken dicke Regenwolken sammelten. Trocken erreichten wir die Plattenbausiedlung und Paul trug erstmal das Tandem in den vierten Stock. Irgendwann am Abend, den wir mit leckerem Salat, Essen vom chinesischen Lieferdienst, Diskussionen über die derzeitige politische Situation Bulgariens, Eier klopfen (bulgarische Tradition, das Ei mit der härteren Schale gewinnt) und deutschem Tatort verbrachten, begann es dann auch zu regnen.
Als wir am nächsten Morgen aufwachten und aus dem Fenster schauten, sahen wir zum ersten Mal nach drei Wochen Radfahren ein Wetter, bei dem wir lieber im Bett geblieben wären. Aber es half nichts, die nächsten Couchsurfer waren schon organisiert und der Plan vier Tage später die Fähre über das Schwarze Meer zu nehmen, fest. Zu Regen und Gegenwind kamen beim Verlassen der Stadt noch aggressive Straßenhunde hinzu, welche mich auch in den folgenden Tagen öfter in Panik verfallen ließen, denn den Letzten beißen die Hunde! (Mittlerweile habe ich immer ein paar Steine wurfbereit am Lenker, die in den meisten Fällen auch helfen, die letzte Option ist dann immer noch anhalten und absteigen oder Pfefferspray- das war bis jetzt aber noch nicht notwendig). Zumindest bereuten wir aus dem Ostermontag keinen Ruhetag gemacht zu haben und hielten nach ca. 25 km in einem Dorf um uns aufzuwärmen und etwas zu essen. Leider gab es zuerst mal wieder Verständigungsprobleme und wir konnten nichts zu essen bestellen. Etwas später erhielten wir dann doch Hilfe, die Wirtin hatte einen deutsch sprechenden Einheimischen angerufen, der vorbei kam und für uns Tee, Cevapcici, Cordon Bleu und Pommes bestellte. Auf Grund des Wetters erreichten wir unser geplantes Ziel, Veliko Tarnovo, laut den Einheimischen eine der schönsten Städte Bulgariens, nicht. Stattdessen strichen wir schon vierzig Kilometern vorher, in Pavlikeni, die Segel.

Da der nächste Tag zwar auch kühl, aber Regen und Sturmfrei war, starten wir mit dem Ziel es vielleicht bis in das 150 km entfernte Sliven zu schaffen. Nach dem Mittagessen war dann aber klar, das schaffen wir nicht. Zu viele Höhenmeter auf zu vielen Kilometern….
Daher verbrachten wir die Nacht in Elena, einer kleinen Stadt, die auf bulgarische Touristen ausgerichtet ist.
Am nächsten Tag nahmen wir dann die restlichen 75 km und bergige Landschaft in Angriff. Zum Glück fuhren wir überwiegend durch Wald und merkten daher kaum etwas vom starken Gegenwind, außerdem war der Aufstieg nicht besonders steil und wir erreichten die „Passhöhe“ ohne vollkommen außer Puste zu sein. Aufgrund des Wetters der Tage zu vor waren noch deutliche Schneereste um uns herum erkennbar und zur Abfahrt packten wir uns in unsere Daunenjacken und die Regenjacken als zusätzlichen Windschutz drüber. Irgendwie hatte ich mir Bulgarien wärmer vorgestellt, andererseits nahmen wir diese Bedingungen gerne in Kauf, wo doch an vielen Orten, die wir in Deutschland und Österreich schon mit T-Shirt durchquert und gezeltet hatten jetzt noch mal eine schöne Schicht Neuschnee gefallen war. In unserer Mittagspause am Fuße des Berges begegneten wir einem deutschen LKW mit Hilfsgütern für Behindertenheime in Bulgarien, tolle Sache, da sicher dringend notwendig. Auf unserem letzten Stück nach Sliven verdunkelte sich der Himmel wieder, doch auch diesmal erreichten wir unsere Couchsurfer Plamena und Anton noch im trockenen und bekamen nachmittags um fünf erstmal ein Glas Rakja hingestellt. Das ist der Schnaps überhaupt in Bulgarien und Anton konnte nicht fassen, dass wir diesen noch nicht probiert hatten. Später besuchten wir mit den beiden noch eine Craftbeer Bar und lernten ein paar Freunde unserer Couchsurfer kennen.

Der Abend war sehr schön und als uns am nächsten Tag Anton anbot, noch länger zu bleiben hätten wir auch wegen der Wetterlage am liebsten ja gesagt. Fünf Grad, Regen und starker Wind. Doch es half nichts, wir hatten bereits Donnerstag, noch 110 km bis zum Schwarzen Meer und uns für die Fähre nach Georgien Freitagabend angemeldet. So kämpften wir uns voran, leider kam noch dazu, dass wir uns auf einer recht kleinen und dennoch mit LKWs stark frequentierten Straße befanden und regelmäßig bei Vorbeifahrten und starkem Seitenwind Probleme hatten das Gleichgewicht zu halten. Da war es schon sehr verlockend als ein netter bulgarischer Sprinter-Fahrer anhielt mit dem Angebot uns in seinem Transport samt Fahrrad mitzunehmen. Sicher hätten wir an jedem anderen Tag mit solchem Wetter gerne ja gesagt, aber die letzten 80 km zum Schwarzen Meer wollten wir dann doch auch noch mit eigener Körperkraft zurücklegen. Zwischenzeitlich bereute ich diesen Beschluss etwas. Die zahlreichen Grabsteine am Straßenrand der verunglückten Verkehrsteilnehmer trugen auch nicht unbedingt zum Wohlbefinden bei. Doch nach der Mittagspause wechselten wir die Straße und so vergingen bei Rückenwind und deutlich weniger Verkehr die letzten 57 km wie im Flug. Wir erreichten vollkommen durchnässt, aber glücklich, Burgas, damit das Schwarze Meer und unser erstes großes Ziel. Auf unserer Fahrt durch die Stadt legten wir einen Zwischenstopp bei Praktiker und dem Postamt (auf dem wir vergeblich nach einem Paket aus der Heimat fragten, in welchem unter anderem diverse Fahrradersatzteile lagerten – irgendwo muss es wohl hängengeblieben sein) ein. Als das erledigt war steuerten wir direkt das Haus unseres Couchsurfers in der Innenstadt an und freuten uns über den Luxus einer eigenen, kleinen Wohnung. Noch vor dem Abendessen besuchten wir mit unserem Gastgeber Alexander eine Craftbeer Bar – diese sind wohl auch in Bulgarien voll im Trend. Danach genossen wir ein leckeres Abendessen mit der ganzen Familie und lernten dabei auch Nikola, den Cousin von Alexander kennen. Dieser arbeitet auf der Fähre, welche wir am nächsten Tag nehmen wollten, beantwortete uns alle Fragen und versprach uns am nächsten Tag beim Kauf des Tickets zu helfen.
So betraten wir tags darauf am Abend, nachdem wir die Stadt erkundet und Fahrradersatzteile besorgt hatten die Fähre nach Batumi in Georgien und freuten uns auf zwei Tage faulenzen.